Telekom DSL-Pläne: Politik kritisiert Abschaffung der Flatrate

Diskussion über Netzneutralität und Geschwindigkeitsbremse

25. April 2013

Die Deutsche Telekom hat am Montag angekündigt, künftig DSL-Tarife ab einem bestimmten Datenvolumen zu drosseln. Diese Ankündigung hat für Aufregung gesorgt und dem Unternehmen viel Kritik eingebracht. Zum einen seit die Bremse auf 384 kBit/s nicht mehr zeitgemäß und könnte sogar negativen Folgen für die Internet-Wirtschaft haben. Zum anderen will die Telekom einige eigene Dienste nicht auf das Datenvolumen anrechnen, was die Netzneutralität verletze. Nun hat sich auch die Politik zu den Telekom-Plänen zu Wort gemeldet.

Bundesregierung kritisiert Abschaffung der Flatrate

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zeigte sich besorgt über die Pläne der Telekom. Spiegel Online berichtet über einen Brief an Telekom-Chef René Obermann, in dem Rösler vor möglichen Einschränkungen für Flatrate-Kunden warne und auch die Netzneutralität durch angekündigte Änderungen bedroht sieht. Bundesregierung und Wettbewerbsbehörden würden »die weitere Entwicklung in Bezug auf eine eventuell unterschiedliche Behandlung eigener und fremder Dienste unter dem Aspekt der Netzneutralität sehr sorgfältig verfolgen«, zitiert Spiegel Online den Bundesminister.

Auch Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hat die geplanten DSL-Tarife der Telekom kritisiert und bezeichnete die Pläne als einen »Versuchsballon«. Ein Fortschritt für die Kunden sei nicht zu erkennen und »Flatrates derart zu begrenzen, ist sicher nicht verbraucherfreundlich«, so Aigner gegenüber Spiegel Online.

Geschwindigkeitsbremse aus Verbraucher-Sicht

Die Telekom selbst spricht bei den neuen Tarifen nicht mehr von Flatrates sondern nur von Volumentarifen. Das Vorhaben, die DSL 16000 Anschlüsse ab 75 GB Datenvolumen und VDSL Anschlüsse ab 200 GB Datenvolumen zu drosseln, könnte bei vielen Nutzern zu Einschränkungen führen. Während die Telekom in ihrer Beispielrechnung von einem durchschnittlichen Verbrauch von 15 bis 20 Gigabyte (GB) im Monat ausgeht, kommen Nutzer, die gerne Online-Video Angebote in HD Qualität nutzen oder Online-(Streaming-)Spiele spielen schnell an diese Grenzen kommen. Auf der Plattform Change.org wurde eine Online-Petition gegen Drosselung der Surfgeschwindigkeit gestartet, die inzwischen über 40.000 Unterstützer gefunden hat.

Im Netz machen sich zudem mehrere Nutzer und auch einige Unternehmen lustig über die Drossel-Pläne der Telekom. Mit verschiedenen Bildern im Stil der Telekom-Werbung werden »Modemgeschwindigkeiten« versprochen und für »mehr Zeit für Ihre Streams, Ihre Downloads« geworben. In einem Video wird zudem gezeigt, wie sich die Beschränkung der Bandbreite auf 384 kBit/s auf das Surfen im Internet auswirkt.

Netz-Politische Frage der Netzneutralität

Deutsche Telekom Breitbandversorgung

Während Volumentarife als solche ein legitimes, wenn auch heutzutage fragwürdiges Modell für DSL-Zugänge sind, geht es den Kritikern der neuen Telekom-DSL-Tarife vor allem um die Frage der Netzneutralität. Wie die Telekom angekündigt hat, sollen hauseigene Dienste, wie das TV-Angebot Entertain und die Sprach-Telefonie, nicht auf das Datenvolumen angerechnet werden. Damit können Telekom-Kunden diese Dienste künftig uneingeschränkt nutzen, während andere Angebote, wie Video-Streaming-Dienste und Internet-Telefonie auf das Datenvolumen angerechnet und damit zur Drosselung des Anschlusses beitragen werden. Tritt die Drosselung ein, Werden auch diese Dienste ausgebremst, die Telekom-Dienste würden jedoch uneingeschränkt weiter laufen.

Auch Sicht der Netzpolitiker stelle diese Unterscheidung einerseits eine Wettbewerbsverzerrung dar, und greife auch die Netzneutralität an. Hierbei geht es darum, dass alle Daten gleichberechtigt übertragen werden sollen. Bundesverbraucherministerin Aigner forderte die Prüfung der Telekom-Pläne: »Wenn ein Anbieter beim Überschreiten bestimmter Datenmengen die Geschwindigkeit drosselt, um eigenen Diensten Vorfahrt zu gewähren, wird das Prinzip der Netzneutralität in Frage gestellt. Das ist ein Fall, den die Bundesnetzagentur sorgfältig prüfen sollte.« und fügte laut Spiegel Online hinzu: «Der Wettbewerb darf nicht zulasten der Verbraucher dadurch verzerrt werden, dass einzelne Anbieter zweifelhafte Vorfahrtsregeln einführen.«

Wirtschaftsminister Rösler habe eher vorsichtig auf eine mögliche gesetzliche Regelung zum Thema Netzneutralität hingewiesen: »Wie Sie wissen, hat sich die Bundesregierung dazu bekannt, die Netzneutralität zu wahren und das >Best-effort-Internet< insbesondere im Interesse aller Nutzer dauerhaft zu gewährleisten. Dies schließt nötigenfalls Eingriffe mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität und der Sicherstellung von Wettbewerb ein«, wird Rösler zitiert.

Die Opposition fordert direkt »den gesetzgeberischen Handlungsbedarf«. Der netzpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Lars Klingbeil schreibt: »Die Netzneutralität muss angesichts der jetzt diskutierten Vorhaben endlich gesetzlich verankert werden. Sie ist die Grundlage für die Freiheit und Innovationsfähigkeit des Internets.« Die schwarz-gelbe Koalition habe bei der Sicherung der Netzneutralität allein auf den Markt setzen wollen. Nun solle sie die Netzneutralität gesetzlich festschreiben, fordert Klingbeil.

Auch aus anderen Parteien kommt Kritik zu den Plänen der Telekom. Zwar dürfe die Politik den Anbietern nicht in ihre Geschäftsmodelle reinreden, doch die Ausnahme von eigenen Diensten von der Drosselung sei »ausgesprochen problematisch. Das verzerrt den Wettbewerb, das geht nicht«, wird CDU-Netzpolitiker Thomas Jarzombek in Spiegel Online zitiert. Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Notz, nannte die Pläne »verheerend für den Wirtschaftsstandort Deutschland«.

Auch Verbraucherschützer sehen in der Privilegierung der eigenen Dienste einen Verstoß gegen die Netzneutralität. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) vermutet in der Volumenbegrenzung für das Surfen mit Hochgeschwindigkeit vor allem eine neue Einnahmequelle für die Telekom: »Fremde Anbieter mit datenintensiven Anwendungen könnten die Telekom dafür bezahlen, dass die durch sie erzeugten Datenströme nicht auf das im Tarif begrenzte Volumen angerechnet werden. Dies könnte sich auf die Angebotsvielfalt und die Markteintrittsmöglichkeiten von kleinen, neuen Diensten auswirken«, schreibt vzbv. Der Verband fordert, dass den Worten der Politiker jetzt Taten folgen. Der für Technologie zuständige Minister Philipp Rösler (FDP) sei nun gefragt, über einen Brief an den Vorstandsvorsitzenden der Telekom, René Obermann, hinauszugehen und die Netzneutralität praktisch zu sichern.

Kritik auch von Wettbewerbern

Auch erste Unternehmen, deren Dienste von der Drosselung betroffen sein können, haben sich inzwischen zu Wort gemeldet. Der Videodienst Watchever hat mögliche Einschränkungen für Kunden kritisiert. »Die Entwicklung des Internet ging immer von langsam zu schnell und von der Beschränkung hin zur kundenfreundlichen Flatrate. Komplizierte Volumentarife mit zahlreichen Einschränkungen im Kleingedruckten haben in der Vergangenheit nicht funktioniert«, sagte Geschäftsführerin Sabine Anger der dpa. Bei Watchever können Kunden für 8,99 Euro im Monat eine Streaming-Flatrate für Filme und Serien erhalten. Die Nutzung des Dienstes würde auf das Datenvolumen bei den neuen Telekom DSL-Tarifen angerechnet.

Hintergrund

Die Deutsche Telekom will ab dem 2. Mai 2013 die Leistungsbeschreibungen für DSL-Anschlüsse ändern und Volumengrenzen definieren, nach deren Verbrauch die Geschwindigkeit des Anschlusses gedrosselt werden könnte. Dies wird nur die neuen Verträge betreffen. Die eigentliche Drosselung soll erst später realisiert werden, voraussichtlich 2016. Weitere Details zu den Plänen der Telekom:

Bild: Deutsche Telekom

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